Neues von der Straßenbahn Darmstadt


Straßenbahn Neufahrzeuge und Platzbedarf: Die ersten fünf (von aktuell geplant 25) Triebwagen der Serie ST 15 von Stadler sollen ab Herbst 2022 geliefert werden. Zur Inbetriebnahme (und späteren Wartung) sind entsprechende Werkstattkapazitäten und -einrichtungen erforderlich. Zusätzlich wird zwischenzeitlich der Platzbedarf auf den Abstellgleisen bis zur Außerbetriebnahme der Serie ST 12 auf 73 Triebwagen anwachsen. Zudem sind die Neufahrzeuge deutlich länger als die bisherigen Triebwagen, so daß auch hier zusätzliche Gleislängen erforderlich sind.

Ein neuer Betriebshof (vgl. auch letzter Bericht), der die Platz- und Werkstattfragen lösen könnte, ist noch in weiter Ferne und bis die Standortfrage geklärt und die üblichen meist unsachlichen Einwände diverser Bürgerinitiativen abgewiesen sind, werden noch einige Jahre vergehen. Während die Frage nach den Abstellkapazitäten vermutlich noch mit Einschränkungen im Bestandsnetz gelöst werden könnte (hier spielen ebenfalls die geplanten Fahrplanausweitungen eine Rolle, denn mit mehr Leistungen im Netz stehen weniger Fahrzeuge herum), ist das Werkstattproblem nicht ohne weiteres lösbar. Für die längeren Neuwagen ist die Hauptwerkstatt am Böllenfalltor nicht ausgelegt. Daher soll der Btf. Frankenstein ertüchtigt und mit den entsprechenden Werkstatteinrichtungen ausgestattet werden.

Das Problem hierbei ist allerdings, daß der Umbau nicht bis zur Anlieferung der ersten Fahrzeuge abgeschlossen ist und sich bis zur Ablieferung aller Fahrzeuge zudem Inbetriebnahme- und Wartungsarbeiten gegenseitig im Weg stünden. Nach vielen Überlegungen und Alternativkonzepten ist der Verkehrsbetrieb daher auf die Arbeitsgemeinschaft Historische Heag-Fahrzeuge zugegangen, ob eine vorübergehende Nutzung des derzeit für die Museumswagen reservierten Btf. Kranichstein möglich sei. Dabei wurden diverse Möglichkeiten durchgesprochen. Das aktuelle Konzept sieht daher vor, daß die (nicht betriebsfähigen) Museumswagen und sonstigen Ausstellungsgegenstände aus dem Btf. Kranichstein ausziehen und dort stattdessen provisorische Werkstattkapazitäten zur Inbetriebnahme der ST 15 geschaffen werden. Als neue Heimat für die Museumswagen ist (jedoch nicht ans Gleisnetz angeschlossen) eine Halle in der Nähe des Meßplatzes vorgesehen, die ursprünglich zu einem Möbelhaus gehörte und danach von einem inzwischen insolventen Bowlingbahnbetreiber genutzt wurde.

Zwar sind die Fahrzeuge für mehrere Jahre nicht mehr direkt im Straßenbahnnetz abgestellt, dafür wären aber weiterhin Publikumstage im provisorischen Museum möglich, ggf. sogar mit weniger Restriktionen als dies im bisherigen Btf. Kranichstein der Fall war. Zusätzlich würden auch die bislang nicht zugänglichen Museums- und Sonderfahrzeuge (z. B. Arb-Tw 11 oder KSW-Tw 507 ex Augsburg) in die Sammlung aufgenommen, die bislang noch im Btf. Frankenstein stehen. Transport (im Frühjahr 2022) und spätere Rückführung der Fahrzeuge und die Hallenmiete übernimmt der Verkehrsbetrieb. Auf den Einsatz des Feurigen Elias oder der im Netz verbleibenden Altfahrzeuge hat die Auslagerung vorerst keinen Einfluß.

Aus Sicht des Vereins und auch des benachbarten Eisenbahnmuseums ist die vorübergehende Auslagerung des Straßenbahnmuseums sicher nicht die optimale Lösung, zumal zwar das Versprechen zur Rückkehr gegeben ist, aber das Zeitfenster wegen diverser Unbekannten (z. B. die Frage nach dem neuen Betriebshof) gewisse Variablen aufweist. Man muß allerdings anerkennen, daß der Verkehrsbetrieb nicht frei entscheiden kann, sondern in vielen Fällen (wie eben beim neuen Betriebshof/Hauptwerkstatt) von der Stadt abhängig ist und die jetzt präsentierte Variante unter den aktuellen Gegebenheiten die wahrscheinlich sinnvollste Lösung ist. Kritisieren darf man allerdings, daß dem Verkehrsbetrieb wohl erst recht spät eingefallen ist, daß man ja längere Fahrzeuge erhält und dafür ganz plötzlich entsprechende Werkstattarbeitsplätze benötigt werden. Den Ausbau des Btf. Frankenstein hätte man daher sicher deutlich früher planen und umsetzen können.

Neubaustrecke Lichtwiese: Der reine Gleisbau der neuen Strecke ist inzwischen abgeschlossen. Im September wurde die letzte Lücke kurz vor der Endschleife geschlossen. Seitdem gehen die Arbeiten zumindest vordergründig nur langsam weiter. So fehlt noch die Fahrleitung zwischen der Hst. Kletterhalle und der Lichtwiese, nachdem in den letzten Tagen die Tragseile gespannt wurden. Deren Bau ist wegen der vielen zusätzlichen Speisepunkte und dem Anschluß der Kompensationsleitung allerdings vergleichsweise aufwendig, soll aber noch im November abgeschlossen sein.

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Nach Abschluß der Gleisarbeiten am neuen Gleisdreieck Alsfelder Straße sind die Strecken nach Arheilgen und Kranichstein wieder uneingeschränkt befahrbar. Restarbeiten (wie rechts im Straßenbereich erkennbar) sollen bis Dezember abgeschlossen sein. ST 13-Tw 9873 mit SB 9-Bw 9425 ist am 31.10.2021 von der Frankfurter in die Alsfelder Straße Richtung Kranichstein eingebogen. Die neue Verbindungskurve Richtung Arheilgen hinten rechts ist aktuell noch gesperrt.

Sah es zum letzten Redaktionsschluß allerdings noch so aus, daß mit der Aufnahme des Fahrbetriebs wie geplant zum Fahrplanwechsel gerechnet werden kann, hat die Heag kurz danach mitgeteilt, daß sich die Inbetriebnahme noch bis ins Frühjahr verzögert und die nur 1,1 km lange Strecke rund 7 Mio EUR teurer wird, was angesichts der Streckenlänge natürlich keine erfreuliche Nachricht ist. Als Gründe für die Teuerung werden neben dem Zustand des Baugrunds, Kampfmittelräumung (u. a. 70 gefundene Brandbomben), diversen nötigen Zusatzarbeiten z. B. wegen nicht verzeichneter Leitungen im Untergrund insbesondere auch die geänderten Arbeitsabläufe durch die Corona-Pandemie und Preissteigerungen bei den Baumaterialien angeführt.

Bis zum Jahresende soll die Strecke nun fertiggestellt sein. Danach erfolgt die Abnahme und die Fahrerschulung. Der Fahrgastbetrieb soll nach Ostern (und damit im Prinzip zum Start des Sommersemesters) aufgenommen werden. In der Tagespresse war hierzu zu lesen, daß nun die SL 2 zunächst im 10-Min-Takt statt ursprünglich alle 7,5 Minuten zwischen Bahnhof und Lichtwiese fahren soll. Dies dürfte auch u. a. darin begründet sein, daß noch keine Neufahrzeuge geliefert sind und damit der Wagenpark für den dichteren Takt nicht ausreicht.

Im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme wird ab Ostern 2022 auch das Busnetz teilweise neu geordnet. Der Magistrat hat entsprechende Anpassungen und Leistungsausweitungen um etwa 4% beschlossen. Dabei ergeben sich direkt oder indirekt folgende Änderungen:

Neues Gleisdreieck Arheilgen/Kranichstein: Nachdem zwischen Sommer- und Herbstferien die neuen Weichen auf der Kranichsteiner Seite eingebaut wurden, folgte in den Herbstferien noch ein Tausch der restlichen Gleisbögen und alten Weichen im Bestandsnetz. Dazu wurde zusätzlich zur Kranichsteiner Strecke vom 9. bis 24.10.2022 auch der Arheilger Streckenast wieder auf SEV umgestellt. Nach Arheilgen fuhr die OL 7E/8E, nach Kranichstein 5E. Beide SEV-Linien waren am Luisenplatz verknüpft. Im Straßenbahnbereich gab es u. a. folgende Änderungen: Die SL 4 und 5 entfielen. Die SL 3 fuhr zwischen Luisenplatz und Hbf. über die Rheinstraße. Die SL 6 fuhr von Eberstadt kommend ab Luisenplatz über die Bismarckstraße zum Hbf., die SL 7 (und 8) fuhr in der HVZ nur zwischen Eberstadt und Schloß, außerhalb der Betriebszeiten der SL 6 von Eberstadt über Luisenplatz und Bismarckstraße zum Bahnhof. Am Hbf. fuhr die SL 6 als SL 1 weiter und zurück nach Eberstadt. Somit war die SL 1 alle 15 statt alle 30 Minuten im Einsatz und zusätzlich mit Beiwagenzügen bestückt.

Wenig positiv stellte sich der Verkehrsbetrieb hinsichtlich Fahrgastinformation auf. So waren die SEV-Busse teils nicht auf den DFI-Anzeigern verzeichnet und gemäß elektronischer Fahrplanauskunft sollte die SL 4 regulär fahren, was mangels befahrbarer Gleise gar nicht möglich war. Zudem war keine klare Vorgehensweise hinsichtlich der Linienbeschilderung bei Umleitungen erkennbar. So fuhr in der vorigen Bauphase die SL 5 zwischen Bahnhof und Luisenplatz mit Beschilderung "5 Luisenplatz", um dann als neue Linie "8 Maulbeerallee" (und umgekehrt) zur Gleisschleife Merck weiterzufahren. Bei der jetzt ähnlich gearteten Umleitung der SL 6/7/8 wurde hingegen gleich ab Eberstadt mit (z. B.) "8 Hauptbahnhof über Luisenplatz" gefahren, eine Umschilderung entfiel. Dies wiederum hatte zumindest den Vorteil, daß der im letzten Bericht genannte fehlerhafte Umsteigezwang trotz durchfahrender Züge in der Fahrplanauskunft unterblieb.

Mit dem Ende der Herbstferien sind die SL 4-8 wieder regulär im Einsatz. Am Gleisdreieck Alsfelder Straße stehen noch Restarbeiten wie die Wiederherstellung der Fahrbahn im Bereich der Einmündung Alsfelder Straße an. Außerdem ist die neue Gleisverbindung noch nicht freigegeben.

Als zusätzliches Schmankerl wird der Abendverkehr nach Arheilgen ausgeweitet. Der 15-Min-Takt nach Arheilgen ist jetzt um etwa zwei Stunden bis gegen 23 Uhr verlängert, erst dann wird alle 30 Minuten gefahren. Auch die Betriebszeiten der SL 6 sind um 90 Minuten bis ca. 20.30 Uhr ausgeweitet worden.

Bauarbeiten in der Frankfurter Straße: Schlechte Nachrichten gibt es für den Umbau des wenig attraktiven Willy-Brandt-Platz, da die Umbauten nicht förderfähig waren. Den anschließenden und drängenden Umbau der Frankfurter Straße nach Norden geht die Stadt nun in Eigenregie an, zumal hier auch der unter der Straße liegende Kanal erneuert werden muß. Ab Ostern 2022 können daher für zunächst einmal 18 Monate keine Straßenbahnen mehr zwischen der Innenstadt und Arheilgen bzw. Kranichstein fahren. Zwischen Arheilgen und Kranichstein soll es einen Inselbetrieb mit Straßenbahnen über das neue Gleisdreieck an der Alsfelder Straße geben (womit sich damit vermutlich gleich die zweite Notwendigkeit der Nutzung des Btf. Kranichstein für reguläre Straßenbahnwagen auftut), in die Innenstadt fahren Busse im SEV. Zusätzlich soll als Entlastung für die SEV-Linien während der Bauphase die OL L über ihren Endpunkt Heinheimer Straße hinaus bis zum Nordbad verlängert werden.


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23.03.2022